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Smart Home mit KNX – Was spricht für das System, was dagegen?

Vor über einem Jahr haben ich zusammen mit Sebastian Strickling die smartfabrik gegründet. Durch die vielen Anfragen über technikkram, zur Smart Home Planung, haben wir uns entschieden dieses Feld Hauptberuflich abzudecken. Im vergangenen Jahr sind sehr viele Smarte Häuser mit unserer Hilfe entstanden. Viele Projekte in der Region Köln / Bonn und Düsseldorf aber auch viele Fernprojekte im Umland von München und Berlin. Fast jedes dieser Projekte haben wir mit Homematic IP wired umgesetzt. Doch manchmal stößt man mit diesem System an die Grenzen.

Viele Kunden, die uns unabhängig von technikkram gefunden haben, kommen mit dem Wunsch auf uns zu, ein smartes Zuhause mit KNX umsetzen zu wollen. Da wir in den letzten Monaten alle nötigen Zertifizierungen und Schulungen gemacht haben und zusätzlich einen neuen Mitarbeiter an Board haben, der sich bestens mit KNX auskennt, konnten wir bereits einige Projekte Planen und setzen diese aktuell auch um. Ich will in diesem Artikel die grundsätzlichen Vorteile und Nachteile einer KNX Installation hervorheben.

Was spricht für ein Smart Home mit KNX?

KNX ist kein eigener Hersteller, sondern ein Standard, auf den sich sehr viele verschiedene Hersteller verständigt haben. In der Dachorganisation der „KNX Association“ sind alle Mitglieder organisiert. Das können z.B. Gerätehersteller oder Softwarefirmen sein. Von dieser Organisation aus, werden die Standards festgelegt, an die sich jeder Hersteller zu halten hat, wenn er Geräte mit dem KNX / EIB Logo vertreiben will.

Dieser Standard hat zur Folge, dass alle Geräte, die dieses Logo tragen untereinander kompatibel sind. So kann Beispielweise ein ABB Aktor neben einem MDT Jalousienaktor eingebaut werden und beide Geräte können über einen KNX taster von Jung angesteuert werden.

Diesen Vorteil wollen viele Bauherren nicht missen, da so z.B. die Auswahl der möglichen Aktoren / Sensoren / Schalter immens ist. Die Auswahl bei den Tastern reicht z.B. von Glastastern, die eingebaute Temperatur- / und Luftfeuchtigkeitsmesser haben bis hin zu Taster mit eingebautem Display. Der Vorteil hierbei ist, dass für jeden Geldbeutel etwas dabei ist. Günstiger KNX-Taster bekommt man z.B. von Busch-Jäger, hier gibt es bereits KNX Taster inkl. Busankoppler mit 8-fach Tasten inkl. LEDs (mehrfarbig) für unter 80€.

Wer mehr ausgeben möchte und viel Wert auf Design legt, wird wiederum bei anderen Herstellern fündig. Man kann sich hier KNX bildlich wie eine Straße vorstellen, auf der jedes Auto fahren kann.

Auch beim Thema Bewegungsmelder und Präsenzmelder gibt es eine sehr große Auswahl. Auch hier findet sich für jeden Geldbeutel das passende Gerät – ich will nicht jedes Gewerk einzeln aufzählen, ihr merkt aber bereits jetzt, dass KNX nicht immer teuer sein muss.

Das KNX-System ist ein sehr bewährtes, stabil laufendes System, das autark und ohne Zentrale über Jahre hinweg stabil arbeitet. Eine KNX-Installation ist so ausgelegt, dass die Komponenten eine sehr lange Lebensdauer haben. Diese kann bis zu 20 Jahre betragen und hat somit den gleichen Lebenszyklus wie eine konventionelle Elektroinstallation. Solche Systeme werden in öffentlichen Gebäuden und Einrichtungen verbaut, bei denen es auf eine sehr hohe Zuverlässigkeit ankommt.

Für viele Anwender ist ein sehr entscheidendes Argument, dass es sich bei dieser Lösung um keine proprietäre Einzellösung handelt, die nur von einem Hersteller vertrieben wird. Sollte in einer vorhandenen Installation z.B. ein Aktor eines Herstellers defekt sein, der nicht mehr auf dem Markt vorhanden ist, kann einfach zu einem anderen Hersteller gegriffen werden. Alle KNX Geräte verstehen sich untereinander und sind daher zu 100% kompatibel – auch im Mischbetrieb. 100% kompatibel heißt an dieser Stelle aber nicht, dass die Geräte auch den komplett gleichen Funktionsumfang haben. Günstigere Hersteller verzichten z.B. auf die Strommessung bei den Jalousie-Aktoren, diese müssen dann manuell (über Zeit) eingestellt werden. Daher solltet Ihr immer darauf achten, welche Funktionen Euch wichtig sind und zuerst prüfen, welche Hersteller diese in seiner Software implementiert hat.

Bei einer KNX-Installation kann jedes Gewerk abdeckt werde, auch Spezialfälle, die nicht in der breiten Massen Anwendung finden. Es gibt z.B. Hersteller, die spezielle Sensoren für die Wasserqualität, UV-Strahlung oder aber den pH-Wert im Pool vertreiben. Diese Sensoren können ohne Probleme in ein KNX-System integriert werden.

Ein weiterer großer Vorteil, den KNX Anlagen aufweisen sind, dass Protokolle wie z.B. DALI, DMX usw.. voll implementiert werden können. Diese, aus dem Gewerbe stammenden Protokolle halten aber auch immer öfter Einzug in die privaten Haushalte. Mit DALI ist es z.B. möglich Leuchten (die dieses Protokoll unterstützen) sehr genau zu dimmen. Das ist leider bei vielen anderen Systemen nicht immer der Fall.

Ein KNX System lässt sich später auch durch zusätzliche Funk-Teilnehmer ergänzen. Damit können dann z.B. zusätzliche Leuchtmittel, eine Wetterstation oder zusätzliche Sensoren betrieben werden. Der Standard dafür heißt KNX-RF.

Auch die Visualisierung spielt bei KNX eine große Rolle. Hier gibt es sehr viele „ready-to-go“ Lösungen, die keiner große Parametrierung oder Konfiguration bedürfen. Aber auch hier gilt, es gibt für jeden Geldbeutel eine Lösung. Für eine einfache Visualisierung, die auf einem iPad oder einem Smartphone angezeigt werden soll oder aber für den in die Wand eingelassenen Touchscreen.

Grundsätzlich richtet sich KNX an alle Bauherren, die ein funktionsfähiges SmartHome-System haben wollen, ohne ständig selbst Hand anlegen zu müssen. Ein KNX-System kann natürlich auch durch DIY-Sensoren, eigenen Programmierungen und Schnittstellen zu offenen Systemen versehen werden. Wer sich hier ausleben will, sollte aber besser zu einem anderen System greifen, da dies hier wahrscheinlich kostengünstiger und einfacher umgesetzt werden kann.

Was spricht gegen ein Smart Home mit KNX?

Leider gibt es eine Einstiegshürde für ein KNX System. Für die Programmierung wird eine kostenpflichtige Software benötigt, die aktuelle Version heißt ETS5. Diese gibt es in verschiedenen Versionen. Einen separaten Artikel über die ETS und die verschiedenen Lizenzmodelle wird Euch Niklas in den nächsten Tagen schreiben. Da ich jetzt hier nicht zu viel vorweg nehmen möchte, beschränke ich mich aktuell auf die ETS5 Lite. Mit dieser Lizenz können Projekte bis zu einer Größe von 20 Geräten erstellt werden. Diese Version kostet 200€. Leider sind 20 Geräte in einem EFH sehr schnell erreicht und die Lizenz muss erweitert werden.

Sollte nur ein kleines Smart Home geplant werden, sind die Kosten für die Lizenz pro Smart Home Gerät recht hoch und das geplante System wird schnell unwirtschaftlich.

Bei einer Bestandsimmobilie kann zwar KNX RF (Funk) eingesetzt werden, die oben sehr gelobte Vielzahl an Geräten ist bei RF leider (noch) nicht gegeben. Hier gibt es andere Hersteller, die deutlich mehr Auswahl in diesem Segment bieten. Die Geräte sind leider auch etwas hochpreisiger als bei anderen Herstellern. Daher sollte man sich bei einem reinen Funkprojekt hinterfragen, ob alle Funktionen abgedeckt werden können und wie hoch der Preis für die Hardware ist. Bei Funkprojekten komm zudem hinzu, dass die Anzahl von 20 Teilnehmer sehr früh überschritten wird, da jedes Gerät (z.B. 1-kanaliger UP Schaltaktor) als Teilnehmer gezählt wird.

Wie oben schon kurz angedeutet, ist für den Betrieb einer KNX Anlage keine Zentrale nötig. Die Intelligenz sitzt in der Aktorik. Anders als bei anderen Standards, wird hier über Gruppenadressen gearbeitet. Diesen Gruppenadressen können die einzelnen Kanäle der Geräte zugewiesen werden. Der Funktionsumfang ist dadurch immer abhängig von den Möglichkeiten, die der Hersteller in der Software vorgesehen hat.

Hier sollte bei schon bei der Planung berücksichtigt werden, dass nicht jeder Hersteller den gleichen Funktionsumfang bereithält. Wenn komplexere Funktionen gewollt sind, wie z.B. Schleifen, verschachtelte wenn-/ dann-Funktionen, wird zusätzliche Hardware benötigt. Das kann z.B. ein Logikbaustein sein, oder ein Server, mit dem dann auch komplexere Anwendungen ausgeführt werden können.

Was ein Vorteil ist, kann manchmal auch ein Nachteil sein. Innovationen, die durch einen einzelnen Hersteller voran getrieben werden, können durch den Dachverband verlangsamt werden, da diese erst durch das Gremium geprüft und freigegeben werden müssen.

Oft wird gesagt, dass das KNX System geschlossen sei und kaum DIY-Lösungen möglich sind. Das stimmt so nicht, natürlich ist die Community kleiner als bei anderen Smart Home Systemen, dennoch ist es auch möglich selber Platinen oder Software zu entwickeln, die zusammen mit den anderen KNX Teilnehmer interagiert.

In meinem nächsten Artikel will ich, wie bereits oben schon angedeutet auf die Details eingehen, die ein KNX System von z.B. einem Homematic IP wired System unterscheiden. Hier will ich neben den Kosten für die Hardware (und Software!) auch auf die Möglichkeiten der Programmierung, der Wartung, dem Fernzugriff, der Visualisierung, der Kopplung zu anderen Systemen und der Langlebigkeit eingehen.

5 Kommentare
  1. Klaus
    Klaus sagte:

    Hallo Sebastian,

    ich finde den Artikel sehr gut geschrieben und bin gespannt auf das was noch kommt!

    Gibt es einen Newsletter bei dem man sich anmelden kann?

    Danke!

    Grüße aus Tirol

    Antworten
  2. Michael
    Michael sagte:

    Hm, wenn KNX so ein offenes System ist, mit dokumentierten Protokollen und Standards, wo im Grunde alle mitmachen können, würde man ja meinen, dass es auch gute OpenSource und Community-Implementierungen von Programmiersoftware, Logikbausteinen und auch Geräten geben sollte? Oder hält diese Dachorganisation solche Ansätze irgendwie raus?

    Antworten
    • Sebastian
      Sebastian sagte:

      Hallo Michael, ein offenes System ist es nicht – wenn du Mitglied ist kannst du an den Standard anknüpfen. Es gibt aber Projekte der Community um z.B. via Raspberry Pi direkt mit dem Bus zu kommunizieren. Auch solche Projekte werden wir hier in Zukunft vorstellen

      Antworten

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